kobinet-nachrichten 16.10.2004
Schwetzingen (kobinet) Stefan Krusche, Behindertenbeauftragter der Stadt Schwetzingen, hat den derzeit diskutierten Entwurf für ein Behindertengleichstellungsgesetz in Baden-Württemberg unter die Lupe genommen. Neben positiven Festlegungen zum Beispiel bei Barrierefreiheit oder dem Recht auf Deutsche Gebärdensprache, Kommunikation mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder anderen Kommunikationshilfen hat Krusche auch Schwächen und «handfeste Mängel des Gesetzentwurfs» entdeckt.
Der Entwurf war von der Landesregierung verabschiedet worden, nachdem Tanja Gönner als neue Sozialministerin berufen und vom Ministerpräsidenten zugleich zur Landesbehindertenbeauftragten ernannt wurde ( kobinet 27.7.04 ). Der Gesetzentwurf geht in Paragraph 13 wie bisher auch davon aus, dass es genügt, eine oder einen Behindertenbeauftragten durch den Ministerpräsidenten bestimmen zu lassen, um die Belange behinderter Menschen auf Landesebene ausreichend zu vertreten. Es ist auch künftig nicht vorgesehen, den Verbänden ein Vorschlagsrecht bei der Benennung einer bestimmten Persönlichkeit einzuräumen. An die Person selbst wird nicht das geringste Anforderungsprofil angelegt.
Krusche kritisiert, dass die im Entwurf enthaltene Aufgabenbeschreibung so allgemein gehalten sei, dass in keiner Weise klar wird, warum gerade die Sozialministerin «nebenbei» noch Landesbehindertenbeauftragte werden/bleiben soll, obwohl Behindertenpolitik ohnehin zu ihrem sozialpolitischen Ressort gehört. Es sei zu befürchten, dass die konkrete Lobbyarbeit zugunsten von Menschen mit Behinderung in Parlament und Landesverwaltung entweder von weitgehend unbekannten Ministeriumsmitarbeitern ohne persönlichen Bezug zum Thema «Behinderung» gemacht wird oder schlimmstenfalls ganz unterbleibt, da die Sozialministerin mit Repräsentations- und Verwaltungsverpflichtungen mehr als ausgelastet sein dürfte.
Weder Gesetzentwurf noch Begründung machen Angaben dazu, so moniert Krusche, ob der Ministerin ein Stab kompetenter Mitarbeiter zuarbeitet und ob in diesem Stab auch der Sachverstand von Menschen mit Behinderung genutzt wird. Enttäuschend ist für den Schwetzinger Behindertenbeauftragten weiterhin, dass im Gegensatz zu dem Landesgleichstellungsgesetz in Bayern darauf verzichtet wurde, die Bestellung von Behindertenbeauftragten auf Landkreis-/Stadtkreisebene vorzuschreiben. Im Wege einer geringfügigen Beschäftigung oder über eine Aufwandsentschädigung wie bei ehrenamtlich Tätigen könnten flächendeckend kompetente behinderte Menschen für diese Funktionen gewonnen werden. Problemlösungen würden so ortsnah, an der individuellen Situation orientiert und vor allem kostensparend getroffen. Der hohe Sachverstand und die Problemlösungskompetenz behinderter Menschen könnte durch die Bestellung von Behindertenbeauftragten oder -beiräten genutzt werden. sch
Quelle: www.kobinet-nachrichten.org