Seit fast einem Jahr ist das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) in Kraft. Hiermit sollen Benachteiligungen behinderter Menschen im Bereich des öffentlichen Rechts beseitigt werden. Das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen bedarf aber auch der Umsetzung im Zivilrecht, denn der Rechtsverkehr zwischen den Bürgern bildet den Rahmen, in dem die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft regelmäßig stattfindet. Zum Ende der vergangenen Legislaturperiode wurde der Gesetzentwurf eines Zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes durch das Bundesministerium der Justiz zur Diskussion gestellt. Hieran muss erneut angeknüpft werden.
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft verlangt nicht nur den barrierefreien Zugang zur gestalteten Umwelt, sondern auch den Zugang und die uneingeschränkte Teilnahme am Rechtsverkehr. Diese Teilhabe ist vielen Menschen mit geistiger Behinderung noch immer verwehrt. So heißt es z. B. in den allgemeinen Geschäftsbedingungen zahlreicher Unfallversicherungsträger: „Pflegebedürftige und Geisteskranke sind trotz Beitragszahlung nicht versichert.“ Es kommt auch immer noch vor, dass ein Vertrag über eine Urlaubsunterkunft gekündigt wird, wenn der Vermieter erfährt, dass es sich um eine Reisegruppe von Menschen mit geistiger Behinderung handelt.
Mit dem Benachteiligungsverbot soll sichergestellt werden, dass niemand wegen seiner Behinderung bei der Begründung, Beendigung und Ausgestaltung von Verträgen, die öffentlich angeboten werden oder die Beschäftigung, medizinische Versorgung oder Bildung und Erziehung zum Gegenstand haben, unmittelbar oder mittelbar benachteiligt wird.
Damit würde ein zivilrechtliches Benachteiligungsverbot eingeführt, dessen praktische Bedeutung erheblich wäre. So wäre z. B. der faktische Ausschluss von Menschen mit Behinderungen vom Abschluss von Versicherungsverträgen nicht mehr zulässig. Eine seit langem kritisierte wesentliche Diskriminierung im Rechtsverkehr, insbesondere von Menschen mit geistiger Behinderung, könnte mit einer solchen Regelung beseitigt werden.
Mit der Einführung eines zivilrechtlichen Benachteiligungsverbotes würde der deutsche Gesetzgeber seine Verpflichtung, die EU-Richtlinie 2000/43/EG 2003 in nationales Recht umzusetzen, erfüllen. Die Regierungskoalition hat in der vergangenen Legislaturperiode angekündigt, die Anpassung des nationalen Rechts auch auf Menschen mit Behinderung zu erstrecken (vgl. den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz – Februar 2002).
Als notwendige Ergänzung des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots ist eine Regelung unverzichtbar, die vorsieht, dass derjenige, der gegen das Benachteiligungsverbot verstößt, von dem Betroffenen auf Unterlassung und auf eine benachteiligungsfreie Behandlung (Folgenbeseitigung) sowie auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Diese Regelungen müssen in ihrer Wirksamkeit durch eine Beweislastumkehrung verstärkt werden. Ohne den Anspruch und die Möglichkeit, das Benachteiligungsverbot auch wirksam durchsetzen zu können, liefe es ins Leere.
(Forderungen auf dem Parlamentarierabend der Lebenshilfe am 19.03.2003)
am Donnerstag, 01.01.1970, 01:00