Berlin: Um behinderte Menschen zu ermutigen, den Schritt aus einer Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu wagen, zeigt die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) anhand konkreter Beispiele auf, wo und wie dies bereits gelungen ist. Dass es einer behinderten Frau aus Wiesbaden nun gelungen ist, innerhalb von zwei Wochen ein Budget für Arbeit bewilligt zu bekommen, so dass sie am 1. September 2023 ihre Arbeit bei der ISL aufnehmen konnte, das ist für das NETZWERK ARTIKEL 3 eine gute Nachricht zur Inklusion. Vor allem auch deshalb, weil bei der Selbstvertretungsorganisation behinderter Menschen damit nun bereits drei behinderte Menschen arbeiten, die ein Budget für Arbeit als Alternative zu einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen nutzen.
„Für uns ist es wichtig, dass wir nicht nur theoretisch über Alternativen zur Werkstatt für behinderte Menschen reden, sondern selbst Anstrengungen unternehmen, um behinderten Menschen, die sonst in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten, echte Arbeitsplätze zu bieten. Deshalb freue ich mich, dass wir seit 1. September eine dritte Person im Rahmen des Budget für Arbeit beschäftigen können, die sonst wahrscheinlich in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten würde. Und das tolle daran ist, dass dieses Budget für Arbeit innerhalb von zwei Wochen bewilligt wurde, so dass die neue Mitarbeiterin wie geplant am 1. September ihre Arbeit beginnen konnte“, berichtet Alexander Ahrens von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL). Die Frau, die selbst Beatmung und Persönliche Assistenz nutzt, wird nun ihre Erfahrungen mit der Situation beatmeter Menschen nutzen und andere beatmete Menschen unterstützen und beraten sowie an der Interessenvertretung für eine menschenrechtlich orientierte außerklinische Intensivpflege mitwirken.
Dass es so schnell und so unkompliziert mit der Bewilligung des Budgets für Arbeit funktionierte, das ist für die ISL auch neu. Denn bei der ersten Beschäftigung im Rahmen des Budgets für Arbeit war das Ganze noch ziemlich zäh und an anderer Stelle muss die ISL mit den Betroffenen noch kämpfen, um das Budget für Arbeit bewilligt zu bekommen. „Wir können andere behinderte Menschen und Arbeitgeber aber ermutigen: es lohnt sich dran zu bleiben“, erklärte Alexander Ahrens. Gemeinsam mit einigen Projektpartnern betreibt die ISL seit kurzem ein Projekt mit dem Titel „Budgetkompetenz – Initiative zum Budget für Arbeit und Ausbildung“. Die Initiative Budgetkompetenz verfolgt das Ziel, die Nutzung der Budgets für Arbeit oder Ausbildung bundesweit zu verbessern. Im Mittelpunkt stehen Menschen mit Behinderungen, die sich für die Budgets interessieren, sich dazu unabhängig beraten lassen wollen und ein Unterstützungsangebot vor Ort suchen. Zudem wendet sich das Modellprojekt an Arbeitgeber*innen, die sozialversicherungspflichtige Arbeits- bzw. Ausbildungsplätze im Rahmen der Budgets verwirklichen wollen.
„Mit diesem Projekt wollen wir gemeinsam mit unseren erfahrenen Projektpartnern auf diesem Gebiet einen einfacheren Zugang zum Budget für Arbeit oder Ausbildung ermöglichen. Wir wollen eine kompetente Beratung für die praktische Umsetzung anbieten und behinderte Menschen dazu befähigen, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu gelangen,“ fasst es Wiebke Schär, Projektleiterin bei der ISL zusammen. Sie betont weiter: „Zudem wendet sich das Modellprojekt an Arbeitgeber*innen, die sozialversicherungspflichtige Arbeits- bzw. Ausbildungsplätze im Rahmen der Budgets verwirklichen wollen. Besondere Aufmerksamkeit wird auf Betriebe gelegt, die Werkstattbeschäftigte bereits auf Außenarbeitsplätzen beschäftigen.“ Bestehende Unterstützungsangebote für Fachdienste oder Beratungsstellen erhalten zudem Informationen, Schulungsangebote und Praxisbeispiele, um die Umsetzung der Budgets zu fördern. Für Budgetnutzer*innen wird eine Interessenvertretung im Sinne des Peer-Supports aufgebaut. Komplettiert werden die Projektangebote durch eine Informations- und Vernetzungsplattform.
Das Budget für Arbeit ist für Menschen gedacht, die aufgrund ihrer Behinderung bisher nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten, weil sie entweder voll erwerbsgemindert bzw. werkstattberechtigt sind. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, ihr Recht aus Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wahrzunehmen, als behinderter Mensch Arbeit frei wählen zu dürfen und seinen Lebensunterhalt durch Arbeit selbst zu verdienen.
Das Projekt wird aus Mitteln des Ausgleichsfonds gefördert und ist auf vier Jahre ausgelegt. Projektpartner sind Access (Erlangen), die Bundesarbeitsgemeinschaft Unterstützte Beschäftigung (BAG UB), der Berufsbegleitende Dienst in Rhein-Kreis Neuss (BBD Neuss) und integra Lübeck.
Link zu weiteren Infos zum Budget für Arbeit: www.budgetfuerarbeit.de