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Flagge der UkraineBerlin: Allein schon der organisatorische Rahmen war beeindruckend, als sich die ca. 350 Teilnehmenden der Veranstaltung "Mit einer Behinderung in Deutschland: Was sind meine Rechte? Wo bekomme ich Hilfe?" zum Austausch für Menschen mit Behinderung aus der Ukraine am 22. Juni 2022 online trafen. Vor allem machten aber die enorm vielen Fragen und Berichte der Teilnehmenden der von Handicap International (HI) und der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) organisierten Veranstaltung deutlich, wie hoch der Handlungsdruck für eine menschenrechtlich orientierte Unterstützung behinderter Geflüchteter ist. Nachdem die guten Nachrichten zur Inklusion bereits am 22. März 2022 über die Datenbank www.hilfsabfrage.de zur Vermittlung von Unterkünften und Beförderungsmöglichkeiten für behinderte Geflüchtete aus der Ukraine berichtet hatten, stellt diese Veranstaltung nach Ansicht des NETZWERK ARTIKEL 3 ebenfalls eine gute Nachricht zur Inklusion dar.

Diejenigen, die schon einmal eine Online-Veranstaltung mit der Berücksichtigung verschiedener behinderungsbedingter Bedarfe organisiert haben, wissen, wie viele Herausforderungen damit verbunden sind. Wenn dann neben der Gebärdensprachdolmetschung noch Sprachdolmetscher*innen in ukrainisch und russisch dazu kommen und nicht alle Teilnehmer*innen über umfassende Erfahrungen mit Online-Veranstaltungen verfügen, dann ist dies eine enorme Herausforderung für die Moderation und Technik. All das sind die Organisator*innen von Handicap International und der ISL sportlich angegangen und wurde auch mit ein paar kleineren Holperern eindrucksvoll gemanaged. Und damit war dann ein guter Rahmen für einen regen und spannenden Austausch geschaffen.

Bereits zu Beginn der Veranstaltung wurde der enorme Austauschbedarf allein schon dadurch deutlich, dass der Chat förmlich überquoll. Ruckzuck waren dort über 100 Chat-Nachrichten in ganz unterschiedlichen Sprachen erreicht, so dass sich die ausgetauschten Nachrichten und Informationen während der zweistündigen Veranstaltung auf mehrere hundert summierten. Und nach den Eingangsimpulsreferaten zu rechtlichen Regelungen für behinderte Geflüchtete, über das Hilfesystem und die Selbstvertretung behinderter Menschen in Deutschland sowie die Angebote der Ergänzenden Unabhägigen Teilhabeberatungsstellen (EUTB) vorgestellt wurden, prasselten auch schon die Fragen auf die beteiligten Akteur*innen der Veranstaltung ein. Am Ende mussten daher mindestens 20 dieser Fragen unbeantwortet bleiben, weil die zwei Stunden abgelaufen waren.

"Welches Amt ist für mich zuständig? Ist es das Sozialamt oder das Job Center?" "Wie kann ich es schaffen, dass mein Kind mit Down Syndrom auch in Bayern inklusiv beschult wird und nicht auf eine Sonderschule muss?" "Wie und wo kann ich einen Schwerbehindertenausweis beantragen?" "Wie ist das, wenn ich nicht arbeitsfähig bin mit dem Job Center?" "Wie schaffe ich es, dass ich einen Sprachkurs bekomme und möglichst schnell in Deutschland studieren kann?" "Wird das Pflegegeld für die Tochter auf die Leistungen der Grundsicherung angerechnet?" Dies und vieles andere mehr wurde im Rahmen der Veranstaltung von Geflüchteten aus der Ukraine gefragt und so weit wie möglich beantwortet. Oft wurde aber auch klar, dass es einer intensiveren Beratung bedarf, so dass die Vernetzung zu bestehenden Angeboten in Deutschland eine wichtige Rolle spielt. Gerade die Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungsstellen können hier eine Lotsenfunktion übernehmen, war man sich einig.

Einig sind sich die Veranstalter aber auch darüber, dass diese Veranstaltung nur ein Aufschlag für eine weitere Vernetzung von behinderten geflüchteten Menschen sein konnte. Der enorme Austauschbedarf und vor allem auch die Bereitschaft, sich einzubringen, Fragen zu stellen und Erfahrungen weiterzugeben, lässt hoffen, dass hier noch einiges bewegt werden kann, zumal der Druck der Geflüchteten hier enorm hoch ist. Denn, das wurde bei der Veranstaltung auch deutlich, auch für bereits in Deutschland lebende behinderte Menschen sind die verschiedenen Zuständigkeiten und gesetzlichen Regelungen oftmals ein Buch mit sieben Siegeln. Daher gelte es auch von staatlicher Seite, hier entsprechende Hilfen zu bieten und die rechtlichen Regelungen zu verbessern.

Und nicht zuletzt sei die vom Büro des Landesbehindertenbeauftragten von Bremen gemeinsam entwickelte und mittlerweile von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) und Handicap International (HI) betriebene Datenbank zur Vermittlung von Unterkünften und Beförderungsmöglichkeiten nach wie vor ein wichtiges Instrument. Nun gelte es vor allem, behinderten Geflüchteten ein selbstbestimmtes Leben mitten in der Gemeinde statt in Sonderwelten zu ermöglichen.

Link zur Ankündigung der am 22. Juni durchgeführten Veranstaltung

Link zur Datenbank zur Vermittlung von Unterkünften und Beförderungsmöglichkeiten www.hilfsabfrage.de

Link zum gute-Nachrichten-Bericht zur Datenbank www.hilfsabfrage.de vom 22. März 2022