Einleitung zum Arbeitsrecht
(Joachim Steinbrück)

I. Entwicklung und Einordnung

Im Arbeitsrecht gibt es eine Reihe rechtlicher Regelungen, die der Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung und ihrer Gleichstellung im Arbeitsleben dienen. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Teil 2 des SGB IX mit der Überschrift "Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)". Dieser Teil des Gesetzes ist insbesondere auch auf die Beschäftigungsförderung und -sicherung für schwerbehinderte Menschen ausgerichtet. Mit ihm wurde das frühere Schwerbehindertengesetz (SchwBG) in das SGB IX integriert, das am 01.07.2001 in Kraft getreten ist. Dem Schutz vor Diskriminierungen auch von Menschen mit Behinderung im Bereich von Arbeit und Beschäftigung dienen vor allem die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) (siehe hierzu im Einzelnen die Ausführungen zum AGG), aber auch Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG). Schließlich enthält die Arbeitsstättenverordnung in § 3 Abs. 2 eine Bestimmung zur Barrierefreiheit von Arbeitsstätten für den Fall, dass der Arbeitgeber bereits eine schwerbehinderte Person beschäftigt.
Wichtige Impulse für den Diskriminierungsschutz und die Beschäftigungsförderung von Menschen mit Behinderung werden durch die "Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf" (nachfolgend: RL 2000/78/EG) gesetzt. So dienen § 81 Abs. 2 SGB IX und die Bestimmungen des AGG der Umsetzung dieser Richtlinie. Auch die zahlreichen Änderungen berufsrechtlicher Regelungen durch verschiedene Artikel des "Gesetzes zur Gleichstelllung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze" (BGBl. 2002, I S. 1467 ff.) vom 27.04.2002 gehen auf die Richtlinie 2000/78/EG zurück (siehe hierzu im Einzelnen unter II. 4.).

II. Wesentlicher Inhalt

1. RL 2000/78/EG

Zweck der "RL 2000/78/EG ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten der EU (Art. 1).
Nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der vorgenannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, soweit es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Hiernach liegt beispielsweise dann keine unzulässige Diskriminierung vor, wenn wesentlich sehbehinderte Personen den Beruf eines Kraftfahrers, Piloten oder Lokomotivführers nicht ergreifen können; die Anforderung "guten Sehens" ist angemessen und rechtmäßig. Anders verhält es sich aber dann, wenn z.B. die Anforderung "guten Sehens" unangemessen ist und eine sehbehinderte Person beispielsweise von einer beratenden Tätigkeit (Rechtsberatung, Sozialberatung oder ähnliches) ausgeschlossen werden soll.
Von besonderer Bedeutung für behinderte Menschen ist Art. 5 RL 2000/78/EG. Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, sind durch den Arbeitgeber besondere Vorkehrungen zu treffen, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Diese Belastung ist nicht unverhältnismäßig, wenn sie durch geltende Maßnahmen im Rahmen der Behindertenpolitik des Mitgliedstaates ausreichend kompensiert wird.
In Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie wird darauf hingewiesen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz im Falle von Menschen mit Behinderung weder dem Recht der Mitgliedstaaten entgegen steht, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten, oder zu erlassen, noch Maßnahmen entgegensteht, mit denen Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern.
Art. 5 RL 2000/78/EG verlangt aktive Maßnahmen von Arbeitgebern zur Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Und Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie stellt klar, dass der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz Maßnahmen zur Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt nicht entgegensteht.

2. Teil 2 des SGB IX - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)

Der zweite Teil des SGB IX, der die Überschrift "Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)" trägt, enthält u.a. eine Vielzahl von Regelungen zur Förderung und Sicherung der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen.

Die vorliegende Gesetzessammlung enthält lediglich einen Auszug aus dem zweiten Teil des SGB IX, nämlich die Bestimmungen über die Arbeitgeberpflichten (§§ 71 bis 84 SGB IX), über schwerbehinderte Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Soldaten und Soldatinnen, über selbstständige Tätigkeit (§§ 128 und 129) sowie die Werkstätten für Menschen mit Behinderung (§§ 136 bis 144).

a) Pflichten von Arbeitgebern zur Förderung und Sicherung der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
Teil 2 des SGB IX enthält Bestimmungen über
- die Pflicht von Arbeitgebern zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen (§§ 71 bis 79),
- das Zusammenwirken der Arbeitgeber mit der Bundesagentur für Arbeit und den Integrationsämtern (§ 80),
- die Pflichten des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten Menschen und deren Rechte (§ 81),
- besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber (§ 82),
- die Integrationsvereinbarung (§ 83) und
- prävention und das betriebliche Eingliederungsmanagement (§ 84).

aa) Die Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mindestens zwanzig Arbeitnehmern auf wenigstens fünf Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Dabei sind schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen. Nach § 71 Abs. 1 Satz 3 SGB IX haben Arbeitgeber mit weniger als vierzig Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat einen schwerbehinderten Menschen, Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich weniger als sechzig Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat zwei schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.
Aufgrund § 159 Abs. 1 SGB IX beträgt die Pflichtquote abweichend für die öffentlichen Arbeitgeber des Bundes weiterhin sechs Prozent, wenn sie am 31. Oktober 1999 auf mindestens sechs Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigt hatten. Damit gilt eine Beschäftigungsquote von sechs Prozent unter den vorgenannten Voraussetzungen weiterhin für jede oberste Bundesbehörde mit ihren nachgeordneten Dienststellen, das Bundespräsidialamt, die Verwaltungen des Deutschen Bundestages und Bundesrates, das Bundesverfassungsgericht, die obersten Gerichtshöfe des Bundes, der Bundesgerichtshof jedoch zusammengefasst mit dem Generalbundesanwalt, das Bundeseisenbahnvermögen sowie für jede sonstige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts des Bundes.
Regelungen über die Beschäftigung besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen enthält § 72, der Begriff des Arbeitsplatzes wird in § 73 definiert und die Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Pflichtarbeitsplatzzahl bestimmt sich nach § 74 SGB IX.
Bestimmungen zur Anrechnung Beschäftigter auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen und die Mehrfachanrechnung enthalten die §§ 75 und 76 SGB IX.
§ 77 SGB IX regelt die Ausgleichsabgabe: Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, entrichten sie nach Abs 1 der Vorschrift für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe. Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf. Die Ausgleichsabgabe wird auf der Grundlage einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote ermittelt.
Nach § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB IX beträgt die Ausgleichsabgabe je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz
1. 105 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von drei Prozent bis weniger als dem geltenden Pflichtsatz,
2. 180 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von zwei Prozent bis weniger als drei Prozent,
3. 260 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von weniger als zwei Prozent.
Gemäß Satz 2 des § 77 Abs. 2 SGB IX beträgt die Ausgleichsabgabe abweichend von seinem vorgenannten Satz 1 je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen
1. für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich weniger als 40 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als einem schwerbehinderten Menschen 105 Euro und
2. für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich weniger als 60 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als zwei schwerbehinderten Menschen 105 Euro und bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als einem schwerbehinderten Menschen 180 Euro.
§ 77 Abs. 3 SGB IX enthält zwar eine Regelung für eine dynamisierte Erhöhung der Ausgleichsabgabe, deren Wirkung bisher jedoch nicht eingetreten ist.
Die Ausgleichsabgabe darf nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender Hilfe im Arbeitsleben i.S. des § 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX verwendet werden, soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu leisten sind oder geleistet werden.
Zur besonderen Förderung der Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf Arbeitsplätzen und zur Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen, die den Interessen mehrerer Länder auf dem Gebiet der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben dienen, ist gemäß § 78 SGB IX beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales als zweckgebundene Vermögensmasse ein Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben gebildet. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verwaltet den Ausgleichsfonds.

bb) Pflichten der Arbeitgeber und Rechte schwerbehinderter Menschen
Von zentraler Bedeutung für die Rechte schwerbehinderter Stellenbewerber und bewerberinnen und Arbeitnehmer und -nehmerinnen ist § 81 SGB IX:
§ 81 Abs. 1 normiert die Verpflichtung der Arbeitgeber, zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur
für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Des Weiteren regelt Abs. 1, welche Schritte die Arbeitgeber vorzunehmen haben, um dieser Prüfungspflicht nachzukommen.
§ 81 Abs. 2 SGB IX bestimmt, dass Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen dürfen; im Einzelnen gelten hierzu die Bestimmungen des AGG.
Nach § 81 Abs. 3 SGB IX stellen die Arbeitgeber durch geeignete Maßnahmen sicher, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann. Absatz 4 Satz 2 und 3 des § 81 SGB IX gilt entsprechend.
Abs. 4 des § 81 SGB IX begründet Ansprüche schwerbehinderter Arbeitnehmer und nehmerinnen gegenüber ihrem Arbeitgeber auf
1. Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können,
2. bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens,
3. Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung,
4. behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr,
5. Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung.
Bei der Durchführung der Maßnahmen nach Nummern 1, 4 und 5 unterstützt die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter die Arbeitgeber unter Berücksichtigung der für die Beschäftigung wesentlichen Eigenschaften der schwerbehinderten Menschen (§ 81 Abs. 4 Satz 2 SGB IX). Ein Anspruch nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX besteht nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX).
Nach § 81 Abs. 5 SGB IX fördern die Arbeitgeber die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen. Schwerbehinderte Arbeitnehmer und -nehmerinnen haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist, es sei denn, dass die gesetzlich geregelten Ausnahmen eingreifen.

§ 82 SGB IX regelt die besonderen Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber:
Von Bedeutung ist vor allem die Verpflichtung der öffentlichen Arbeitgeber, schwerbehinderte Stellenbewerber und -bewerberinnen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, Eine Einladung ist allerdings dann entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

cc) Integrationsvereinbarung, Prävention und betriebliches Eingliederungsmanagement § 83 Abs. 1 SGB IX bestimmt, dass die Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung und den betrieblichen Interessenvertretungen in Zusammenarbeit mit dem Beauftragten des Arbeitgebers nach § 98 SGB IX eine verbindliche Integrationsvereinbarung treffen. Auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung wird unter Beteiligung von Betriebs- oder Personalrat Vertretungen hierüber verhandelt. Welche Regelungen die Integrationsvereinbarung im Einzelnen enthält, ergibt sich aus § 83 Abs. 2 und 2a SGB IX§ 84 SGB IX regelt die Prävention und das betriebliche Eingliederungsmanagement.
Abs. 1 dient der Vermeidung von Kündigungen schwerbehinderter Beschäftigter: Er verpflichtet den Arbeitgeber beim Auftreten personen-, verhaltens- und betriebsbedingter Schwierigkeiten, im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die genannten betrieblichen Interessenvertretungen sowie das Integrationsamt einzuschalten, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.
§ 84 Abs. 2 SGB IX regelt das betriebliche Eingliederungsmanagement: Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber hiernach mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Weitere Einzelheiten zum betrieblichen Eingliederungsmanagement ergeben sich aus der genannten Vorschrift des § 84 Abs. 2 SGB IX.
Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht der Rechtsprechung des BAG zufolge für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen (BAG, Urteil vom 12.07.2007, 2 AZR 716/06).

b) Schwerbehinderte Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen, Soldaten und Soldatinnen sowie unabhängige Tätigkeit
Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Soldaten und Soldatinnen stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Für sie gelten diejenigen Regelungen des zweiten Teils des SGB IX, die sich ausschließlich auf Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitsverhältnisse beziehen, nicht. Für sie ergeben sich aus § 128 SGB IX besondere, jedoch sehr allgemein gehaltene Regelungen.
Allerdings gelten die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes seinem § 24 zufolge unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für
1. Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2. Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder,
3. Zivildienstleistende sowie anerkannte Kriegsdienstverweigerer, soweit ihre Heranziehung zum Zivildienst betroffen ist.
Regelungen zum Diskriminierungsschutz von Soldatinnen und Soldaten enthält das Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten (Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz - SoldGG) (BGBl. 2006, Teil I, S. 1903), das zusammen mit dem AGG verabschiedet worden ist.
Nach § 129 SGB IX soll - soweit zur Ausübung einer unabhängigen Tätigkeit eine Zulassung erforderlich ist - schwerbehinderten Menschen, die eine Zulassung beantragen, bei fachlicher Eignung und Erfüllung der sonstigen gesetzlichen voraussetzungen die Zulassung bevorzugt erteilt werden.

c) Rechtsstellung der Teilnehmenden an Maßnahmen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation
Werden Leistungen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, werden die Teilnehmenden nach § 36 SGB IX nicht in den Betrieb der Einrichtungen eingegliedert. Sie sind keine Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG und wählen zu ihrer Mitwirkung besondere Vertreter. Bei der Ausführung werden die arbeitsrechtlichen Grundsätze über den Persönlichkeitsschutz, die Haftungsbeschränkung sowie die gesetzlichen Vorschriften über den Arbeitsschutz, den Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, den Erholungsurlaub und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen entsprechend angewendet.
Hieraus folgt, dass die Teilnehmenden an Maßnahmen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts oder Auszubildende im Sinne des BBiG sind. Sie haben vielmehr einen arbeitnehmerähnlichen Status, auf den arbeitsrechtliche Regelungen entsprechend anzuwenden sind, soweit sie in § 36 SGB IX ausdrücklich erwähnt werden.

d) Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderung
§§ 136-144 SGB IX enthalten Bestimmungen über Werkstätten für Menschen mit Behinderung.
§ 138 SGB IX regelt die Rechtsstellung und das Arbeitsentgelt behinderter Menschen. Nach § 138 Abs. 1 stehen behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, soweit sich aus dem zugrunde liegenden Sozialleistungsverhältnis nichts anderes ergibt.
Gemäß § 138 Abs. 2 zahlen die Werkstätten aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften behinderten Menschen im Berufsbildungsbereich zuletzt leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung der behinderten Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte.
§ 138 Abs. 3 bestimmt, dass der Inhalt des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses unter Berücksichtigung des zwischen den behinderten Menschen und dem Rehabilitationsträger bestehenden Sozialleistungsverhältnisses durch Werkstattverträge zwischen den behinderten Menschen und dem Träger der Werkstatt näher geregelt wird.
Nach § 138 Abs. 4 gilt hinsichtlich der Rechtsstellung der Teilnehmer an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich § 36 SGB IX entsprechend.
Durch die vorstehend dargestellten Regelungen wird für werkstattbeschäftigte ein besonderer Status, ein arbeitnehmerähnliches Arbeitsverhältnis, und eine spezielle Form der Lohnfindung normiert.
§ 139 SGB IX bestimmt, dass die in § 138 Abs. 1 SGB IX genannten behinderten Menschen unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit durch Werkstatträte in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten der Werkstatt mitwirken. Die Werkstatträte berücksichtigen die Interessen der im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten tätigen behinderten Menschen in angemessener und geeigneter Weise, solange für diese eine Vertretung nach § 36 SGB IX nicht besteht.
Weitere Einzelheiten über die Werkstatträte und ihre Rechte sind in der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) vom 25.06.2001 (BGBl. I, S. 1297) geregelt. So enthalten § 5 WMVO Regelungen über Mitwirkungsrechte und § 7 WMVO solche über Unterrichtungsrechte des Werkstattrates.
Anders als Betriebs- und Personalräte verfügen Werkstatträte als Interessenvertretungen von Werkstattbeschäftigten den vorgenannten Bestimmungen zufolge jedoch lediglich über Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte, nicht aber über "echte Mitbestimmungsrechte".

e) Benachteiligungsverbote nach dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Bundespersonalvertretungsgesetz
Nach § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.
§ 67 Abs. 1 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) enthält eine inhaltsgleiche Regelung. Hiernach haben Dienststelle und Personalvertretung darüber zu wachen, dass alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

f) Änderung berufsrechtlicher Regelungen durch das "Gesetz zur Gleichstelllung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze"
Durch verschiedene Artikel des "Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze" (BGBl. 2002, I S. 1467 ff.) vom 27.04.2002 wurde eine Reihe berufsrechtlicher Regelungen geändert.
So enthielt beispielsweise die Bundes-Apothekerordnung bis zu ihrer Änderung durch Art. 4 des vorgenannten Gesetzes eine Regelung, wonach die Approbation als Apotheker auf Antrag zu erteilen war, wenn der Antragsteller "nicht wegen eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner geistigen oder körperlichen Kräfte oder wegen einer Sucht zur Ausübung des Apothekerberufs unfähig oder ungeeignet" war. Derartige berufsrechtliche Regelungen wurden von behinderten Menschen und ihren Verbänden abgelehnt, weil sie zu Missverständnissen Anlass gaben.
Der Gesetzesbegründung zufolge statuiert die neue Formulierung das Erfordernis der gesundheitlichen Eignung für den Beruf, das im Hinblick auf den Schutz des Patienten erforderlich ist, ohne Missverständnisse hinsichtlich einer eventuellen Diskriminierung bei behinderten Menschen hervorzurufen (BT-Drucks 14/7420, S 33).
Nach der Neuregelung des § 4 Abs. 1 Ziffer 3 der Bundes-Apothekerordnung ist die Aprobation als Apotheker zu erteilen, wenn der Antragsteller nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist.
Durch das "Gesetz zur Gleichstelllung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze" wurden beispielsweise noch folgende berufsrechtliche Regelungen geändert:
- die Aprobationsordnung für Apotheker (Art. 5),
- die Bundesärzteordnung (Art. 7),
- die Aprobationsordnung für Ärzte (Art. 8),
- das Psychotherapeutengesetz (Art. 10),
- das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (Art. 13),
- die Approbationsordnung für Zahnärzte (Art. 14).
Wegen der weiteren Änderungen berufsrechtlicher Regelungen durch das "Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze" wird auf dessen Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2002, I S. 1467 ff.) verwiesen.

III. Rechtsdurchsetzung

§ 63 SGB IX eröffnet Behindertenverbänden ein Verbandsklagerecht bzw. eine Prozessführungsbefugnis, die sich dem Wortlaut der Regelung nach auch auf Rechtsverstöße gegen Vorschriften im zweiten Teil des SGB IX erstreckt. § 63 SGB IX bestimmt, dass dann, wenn behinderte Menschen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt werden, an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen können, die nach ihrer Satzung behinderte Menschen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den behinderten Menschen selbst vorliegen.
In ihren Rechten verletzte Arbeitnehmerinnen und -nehmer können diese auch selbst gerichtlich geltend machen. Für Klagen gegen Arbeitgeber sind die Arbeitsgerichte zuständig. Bei Beamten und Beamtinnen sowie Richtern und Richterinnen ist die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben.
Bei Klagen gegen das Benachteiligungen i.S. von § 81 SGB IX in Verbindung mit den Regelungen des AGG darauf zu achten, dass nach § 15 Abs. 4 AGG Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend zu machen sind.
Für Streitigkeiten zwischen Werkstattbeschäftigten i.S. des § 138 Abs. 1 SGB IX und der Werkstatt sowie für Streitigkeiten zwischen dem Werkstattrat und der Werkstatt ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben.
Soweit Bestimmungen des zweiten Teils des SGB IX eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sowie der in § 93 SGB IX genannten betrieblichen Interessenvertretungen vorsehen, kann eine solche Beteiligung der Sicherung und Wahrung der Rechte schwerbehinderter Menschen dienen. Dies gilt beispielsweise für das Einstellungsverfahren nach § 81 Abs. 1, den Abschluss von Integrationsvereinbarungen nach § 83 sowie die Prävention und das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84 SGB IX.
Für die Einziehung der Ausgleichsabgabe sind nach § 77 SGB IX die Integrationsämter zuständig. Gegenüber privaten Arbeitgebern können sie die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren durchführen.

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