(Bremisches Gesetzblatt 2003, S. 413)
Bremisches Behindertengleichstellungsgesetz — BremBGG
Übersicht:
Teil 1 Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Ziel des Gesetzes
§ 2 Behinderung
§ 3 Benachteiligung
§ 4 Barrierefreiheit
§ 5 Geltungsbereich
Teil 2 Maßnahmen zur Gleichstellung behinderter Menschen
§ 6 Benachteiligungsverbot
§ 7 Besondere Belange behinderter Frauen
§ 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr
§ 9 Barrierefreie Informationstechnik
§ 10 Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen
§ 11 Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken
§ 12 Verbandsklagerecht
§ 13 Berichterstattung
Teil 3 Übergangsbestimmungen
§ 14 Übergangsbestimmungen
Teil 1 - Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Gesetzesziel
Ziel dieses Gesetzes ist es,
Benachteiligungen von behinderten Menschen zu beseitigen und zu
verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten
Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine
selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei wird besonderen
Bedürfnissen Rechnung getragen.
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§ 2 Behinderung
Menschen sind behindert, wenn ihre
körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das
Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
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§ 3 Benachteiligung
Eine Benachteiligung im Sinne dieses
Gesetzes liegt vor, wenn behinderte und nicht behinderte Menschen ohne
zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch
behinderte Menschen in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden.
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§ 4 Barrierefreiheit
Barrierefrei sind bauliche und
sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände,
Systeme der lnformationsverarbeitung, akustische und visuelle
Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere
gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der
allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich
ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
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§ 5 Geltungsbereich
Dieses Gesetz gilt für die Behörden
des Landes Bremen und der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven und die
sonstigen nicht bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und
Stiftungen des öffentlichen Rechts mit Sitz im Land Bremen als Träger
öffentlicher Gewalt. Sie sollen im Rahmen der verfügbaren
Haushaltsmittel und nach Maßgabe der §§ 8 bis 11 für die dort
beschriebenen Regelungsbereiche insbesondere geeignete Maßnahmen zur
Herstellung der Barrierefreiheit, soweit diese in ihrem jeweiligen
Aufgabenbereich noch nicht gewährleistet ist, ergreifen und gemäß §§ 6
und 7 auf die Beseitigung bestehender und die Vermeidung neuer
Benachteiligungen hinwirken.
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Teil 2 - Maßnahmen zur Gleichstellung behinderter Menschen
§ 6 Benachteiligungsverbot
(1) Behinderte Menschen
dürfen gegenüber nicht behinderten Menschen nicht benachteiligt werden.
Bestehende Benachteiligungen behinderter Menschen gegenüber nicht
behinderten Menschen sollen durch besondere Maßnahmen abgebaut,
verhindert oder beseitigt werden.
(2) Besondere Benachteiligungsverbote zugunsten behinderter Menschen in
anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
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§ 7 Besondere Belange behinderter Frauen
Bei der Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind die
besonderen Belange behinderter Frauen zu berücksichtigen und bestehende
Benachteiligungen zu beseitigen. Dabei soll durch besondere Maßnahmen
die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von behinderten
Frauen gefördert und bestehende Benachteiligungen abgebaut, verhindert
oder beseitigt werden.
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§ 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr
(1) Neubauten sowie große Um- oder Erweiterungsbauten der in § 5 genannten
Stellen sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der
Technik barrierefrei gestaltet werden. Von diesen Anforderungen kann
abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maß die
Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden oder wenn die
Anforderungen an Neubauten und große Um- und Erweiterungsbauten nur mit
einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.
(2) Sonstige bauliche oder andere Anlagen des Landes und der
Stadtgemeinden, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich
zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen
Personennahverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen
Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten.
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§ 9 Barrierefreie Informationstechnik
(1) Die in § 5
genannten Stellen haben ihre Internet- und Intranetseiten sowie die von
ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit
Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, schrittweise
technisch so zu gestalten, dass sie auch von behinderten Menschen
grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können.
(2) Der
Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Regelungen über
die barrierefreie Gestaltung der Informationstechnik im Sinne des
Absatzes 1 zu treffen und die dabei anzuwendenden Standards nach
Maßgabe der technischen, finanziellen und verwaltungsorganisatorischen
Möglichkeiten festzulegen. Die nach § 12 Abs. 4 anerkannten Verbände
behinderter Menschen sind bei der Vorbereitung der Rechtsverordnung zu
beteiligen.
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§ 10 Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen
(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.
(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.
(3) Gehörlose und hörbehinderte Menschen und Menschen mit eingeschränkter
Sprechfähigkeit haben nach Maßgabe der Verordnung nach Absatz 4 das
Recht, mit den in § 5 genannten Stellen in Deutscher Gebärdensprache,
mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder mit anderen geeigneten
Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung
eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Die in § 5
genannten Stellen haben dafür auf Wunsch der Berechtigten im
erforderlichen Umfang die Übersetzung durch Gebärdendolmetscherinnen
oder Gebärdendolmetscher oder die Verständigung mit anderen
Kommunikationshilfen sicherzustellen; sie tragen die hierzu notwendigen
Aufwendungen.
(4) Der Senat wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung nähere Regelungen über die Heranziehung von
Gebärdendolmetscherinnen und Gebärdendolmetschern und die Grundsätze
für deren angemessene Vergütung oder eine Erstattung von notwendigen
Aufwendungen für die Dolmetscherdienste oder den Einsatz anderer
geeigneter Kommunikationshilfen zu treffen. Die nach § 12 Abs. 4
anerkannten Verbände behinderter Menschen sind bei der Vorbereitung der
Rechtsverordnung zu beteiligen.
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§ 11 Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken
(1) Die in § 5 genannten Stellen haben bei der Gestaltung von schriftlichen
Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen und
Vordrucken die besonderen Belange davon betroffener behinderter
Menschen zu berücksichtigen. Blinden und sehbehinderten Menschen sind
nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 die in Satz 1 genannten
Dokumente auf ihren Wunsch ohne zusätzliche Kosten auch in einer für
sie wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen, soweit dies zur
Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist.
(2)Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Regelungen
darüber zu treffen, bei welchen Anlässen und in welcher Art und Weise
die in Absatz 1 Satz 1 genannten Dokumente blinden und sehbehinderten
Menschen zugänglich gemacht werden. Die nach § 12 Absatz 4 anerkannten
Verbände behinderter Menschen sind bei der Vorbereitung der
Rechtsverordnung zu beteiligen.
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§ 12 Verbandsklagerecht
(1) Ein nach Absatz 4
anerkannter Verband kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, nach
Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung Klage erheben auf Feststellung
eines Verstoßes durch die in § 5 genannten Stellen gegen
1.das
Benachteiligungsverbot nach § 6 Abs. 1 und die Verpflichtung zur
Herstellung der Barrierefreiheit in § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 3
oder § 11 Abs. 1 Satz 2 oder gegen Bestimmungen der hierzu erlassenen
Rechtsverordnungen,
2.die Vorschriften des Landesrechts zur Herstellung der
Barrierefreiheit in § 9 Abs. 1 des Bremischen Gesetzes zur Förderung
von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege, § 34 Sätze 3 und
4 der Bremischen Landeswahlordnung, § 16 Abs. 1 und 2 der Wahlordnung
zum Bremischen Personalvertretungsgesetz, § 9 Abs. 3 und 4 der
Wahlordnung zur Wahl der Frauenbeauftragten oder § 10 Abs. 1 und § 18
Abs. 1 Satz 2 des Bremischen Landesstraßengesetzes.
(2) Eine Klage nach Absatz 1 ist nicht zulässig, wenn die angegriffene Maßnahme
1. den Verband nicht in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt,
2. aufgrund einer Entscheidung in einem gerichtlichen Verfahren erlassen worden ist oder
3. in einem gerichtlichen Verfahren als rechtmäßig bestätigt worden ist.
Soweit
ein behinderter Mensch selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder
Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, ist eine
Klage nach Absatz 1 nur zulässig, wenn der Verband geltend macht, dass
es sich bei der angegriffenen Maßnahme um einen Fall von allgemeiner
Bedeutung handelt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl
gleichgelagerter Fälle vorliegt.
(3) Vor Erhebung einer Klage
nach Absatz 1 ist ein Vorverfahren entsprechend den Bestimmungen der §§
68 bis 73 der Verwaltungsgerichtsordnung in der jeweils geltenden
Fassung durchzuführen; dies gilt auch dann, wenn die angegriffene
Maßnahme von einer obersten Landesbehörde getroffen worden ist.
(4) Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales soll einen Verband anerkennen, der
1. nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend die Belange behinderter Menschen fördert,
2. nach der Zusammensetzung seiner Mitglieder dazu berufen ist,
Interessen behinderter Menschen auf der Ebene des Bundes oder des
Landes zu vertreten,
3. zum Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in dieser Zeit im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist,
4. die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet und
5. den Anforderungen der Gemeinnützigkeit oder Mildtätigkeit im Sinne der Abgabenordnung genügt.
(5) Wird in einem Fall des Absatzes 1 ein behinderter Mensch in seinen
Rechten verletzt, kann an seiner Stelle und mit seinem Einverständnis
ein nach Absatz 4 anerkannter Verband, der nicht selbst am Verfahren
beteiligt ist, Rechtsschutz beantragen; in diesem Fall müssen alle
Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den
behinderten Menschen selbst vorliegen.
(6) Ein nach § 13 Abs. 3
des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen durch das
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung anerkannter
Verband gilt auch als anerkannt im Sinne des Absatz 4; entsprechendes
gilt für rechtlich selbständige Mitgliedsvereine eines solchen
Verbandes.
(7) Bei Wegfall einer der in Absatz 4 genannten
Voraussetzungen kann die Anerkennung nach Anhörung des betroffenen
Verbandes widerrufen werden. Mit einem Widerruf seitens des
Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung entfällt für
Verbände nach Absatz 6 die Anerkennung durch den Senator für Arbeit,
Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales.
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§ 13 Berichterstattung
Der Senat berichtet einmal in jeder Legislaturperiode der Bürgerschaft über die Erfahrungen mit
diesem Gesetz, seine Auswirkungen und Anwendungsprobleme in der Praxis
und Fragen der Benachteiligung behinderter Menschen. Alle
Feststellungen des Berichts sind geschlechtsdifferenziert zu treffen.
Den nach § 12 Abs. 4 anerkannten Verbänden behinderter Menschen ist bei
der Vorbereitung des Berichts Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Sie wird der Bürgerschaft mit dem Bericht zugeleitet.
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Teil 3 - Übergangsbestimmungen
§ 14 Übergangsbestimmungen
Von der Verpflichtung des § 8
Abs. 1 Satz 1 kann bei zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses
Gesetzes bereits geplanten oder begonnenen Neu-, Um- und
Erweiterungsbauten längstens bis zum 31. Dezember 2005 abgewichen
werden, soweit die nachträgliche Berücksichtigung der allgemein
anerkannten Regeln der Technik zur barrierefreien Gestaltung zu einem
unverhältnismäßigen Mehraufwand führen würde.
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