(Brandenburgisches Behindertengleichstellungsgesetz- BbgBGG)
Vom 20. März 2003 (GVBl.I/03, [Nr. 04], S.42)
Inhaltsübersicht
Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Gesetzesziel
§ 2 Behinderte Frauen
§ 3 Behinderung
§ 4 Barrierefreiheit
§ 5 Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen
Abschnitt 2
Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit
§ 6 Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt
§ 7 Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen
§ 8 Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken
§ 9 Barrierefreie Informationstechnik
Abschnitt 3
Rechtsbehelfe
§ 10 Verbandsklage
Abschnitt 4
Beauftragte oder Beauftragter der Landesregierung für die Belange behinderter Menschen
§ 11 Amt der oder des Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen
§ 12 Aufgaben und Befugnisse
§ 13 Landesbehindertenbeirat
Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen
Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung von behinderten Menschen im Land Brandenburg zu beseitigen und zu
verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten
und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei wird besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen.
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Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind die besonderen Belange behinderter Frauen zu
berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. Dabei sind besondere Maßnahmen zur Förderung der
tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von behinderten Frauen und zur Beseitigung bestehender
Benachteiligungen zulässig.
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Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher
Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
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Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der
Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere
gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis
und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Eine besondere Erschwernis liegt insbesondere auch
dann vor, wenn behinderten Menschen die Mitnahme oder der Einsatz benötigter Hilfsmittel verweigert oder erschwert wird.
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(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.
(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.
(3) Hörbehinderte Menschen (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) und sprachbehinderte Menschen haben nach Maßgabe
der einschlägigen Gesetze das Recht, die Deutsche Gebärdensprache oder die als Kommunikationsform anerkannten
lautsprachbegleitenden Gebärden zu verwenden. Soweit sie sich nicht in Deutscher Gebärdensprache oder mit
lautsprachbegleitenden Gebärden verständigen, haben sie nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze das Recht, andere
geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden.
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Abschnitt 2
Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit
(1) Die obersten Landesbehörden, die Landesoberbehörden und die sonstigen unteren Landesbehörden im Sinne des § 7 Abs. 3
des Landesorganisationsgesetzes, einschließlich der landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts, sollen im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs die in § 1 genannten Ziele aktiv fördern und bei
der Planung von Maßnahmen beachten. In Bereichen bestehender Benachteiligungen behinderter Menschen gegenüber nicht
behinderten Menschen sind besondere Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung dieser Benachteiligung zulässig. Bei der
Anwendung von Gesetzen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist den besonderen
Belangen behinderter Frauen Rechnung zu tragen.
(2) Ein Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des Absatzes 1 darf behinderte Menschen nicht benachteiligen. Eine
Benachteiligung liegt vor, wenn behinderte und nichtbehinderte Menschen ohne zwingenden Grund unterschiedlich
behandelt werden und dadurch behinderte Menschen in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden.
(3) Besondere Benachteiligungsverbote zugunsten von behinderten Menschen in anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
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(1) Hör- und sprachbehinderte Menschen haben nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 das Recht, mit Trägern
öffentlicher Gewalt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden
oder mit anderen geeigneten Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im
Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Die Träger öffentlicher Gewalt haben dafür auf Wunsch der Berechtigten im
notwendigen Umfang die Übersetzung durch Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher oder die Verständigung mit
anderen geeigneten Kommunikationshilfen sicherzustellen und die notwendigen Aufwendungen zu tragen.
(2) Das für Soziales zuständige Mitglied der Landesregierung bestimmt im Einvernehmen mit den für Inneres und für
Finanzen zuständigen Mitgliedern der Landesregierung durch Rechtsverordnung
1. Anlass und Umfang des Anspruchs auf Bereitstellung einer Gebärdensprachdolmetscherin oder eines
Gebärdensprachdolmetschers oder anderer geeigneter Kommunikationshilfen,
2. Art und Weise der Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetscherinnen oder -dolmetschern oder anderen geeigneten
Hilfen für die Kommunikation zwischen hör- und sprachbehinderten Menschen und den Trägern öffentlicher Gewalt,
3. die Grundsätze für eine angemessene Vergütung oder eine Erstattung von notwendigen Aufwendungen für die
Dolmetscherdienste oder den Einsatz anderer geeigneter Kommunikationshilfen und
4. welche Kommunikationsformen als andere geeignete Kommunikationshilfen im Sinne des Absatzes 1 anzusehen sind.
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(1) Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 haben bei der Gestaltung von schriftlichen Bescheiden,
Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken eine Behinderung von Menschen zu berücksichtigen.
Blinde und sehbehinderte Menschen können nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 insbesondere verlangen, dass
ihnen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren
Form zugänglich gemacht werden, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist.
(2) Das für Soziales zuständige Mitglied der Landesregierung bestimmt im Einvernehmen mit den für Inneres und für Finanzen
zuständigen Mitgliedern der Landesregierung durch Rechtsverordnung, bei welchen Anlässen und in welcher Art und Weise die
in Absatz 1 genannten Dokumente blinden und sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden. Bei Dokumenten im Sinne
des § 88 Abs. 2 der Brandenburgischen Bauordnung ist abweichend von Satz 1 das Einvernehmen mit dem für die Bauaufsicht
zuständigen Mitglied der Landesregierung herzustellen.
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Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 gestalten ihre Internetauftritte und -angebote sowie die von
ihnen zur Verfügung gestellten graphischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt
werden, nach Maßgabe der nach Satz 2 zu erlassenen Verordnung schrittweise technisch so, dass sie von behinderten
Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. Das für Soziales zuständige Mitglied der Landesregierung
bestimmt im Einvernehmen mit dem für Inneres zuständigen Mitglied der Landesregierung durch Rechtsverordnung nach
Maßgabe der technischen, finanziellen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten
1. die in den Geltungsbereich der Verordnung einzubeziehenden Gruppen behinderter Menschen,
2. die anzuwendenden technischen Standards sowie den Zeitpunkt ihrer verbindlichen Anwendung,
3. die zu gestaltenden Bereiche und Arten amtlicher Informationen.
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Abschnitt 3
Rechtsbehelfe
(1) Ein nach Absatz 3 anerkannter Verband kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsschutz nach Maßgabe der
Verwaltungsgerichtsordnung beantragen, soweit er geltend macht, dass durch den Erlass eines Verwaltungsaktes, seine
Ablehnung oder Unterlassung gegen das Benachteiligungsverbot für Träger der öffentlichen Gewalt nach § 6 Abs. 2 und die
Verpflichtung des Landes zur Herstellung der Barrierefreiheit in § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Satz 2 und § 9 verstoßen worden
ist. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Maßnahme aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungs- oder sozialgerichtlichen
Streitverfahren erlassen worden ist.
(2) Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die Maßnahmen in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt
wird. Soweit ein behinderter Mensch selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder
hätte verfolgen können, kann die Klage nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn der Verband geltend macht, dass es sich
bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl
gleichgelagerter Fälle vorliegt. Für Klagen nach Absatz 1 Satz 1 bedarf es eines Vorverfahrens auch dann, wenn die
angegriffene Maßnahme von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist.
(3) Die Anerkennung eines Verbandes kann das für Soziales zuständige Ministerium nach Anhörung der oder des
Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen erteilen, wenn der Verband
1. nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend die Belange behinderter Menschen fördert,
2. nach der Zusammensetzung seiner Mitglieder oder Mitgliedsverbände dazu berufen ist, Interessen behinderter
Menschen auf Landesebene zu vertreten,
3. zum Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig
gewesen ist,
4. die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet; dabei sind Art und Umfang seiner bisherigen Tätigkeit,
der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit des Vereins zu berücksichtigen und
5. wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes von der
Körperschaftsteuer befreit ist.
Das für Soziales zuständige Ministerium kann die Erteilung der Anerkennung nach Maßgabe des Satzes 1 auf eine andere
Landesbehörde seines Geschäftsbereichs übertragen.
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Abschnitt 4
Beauftragte oder Beauftragter der Landesregierung für die Belange behinderter Menschen
Das für Soziales zuständige Mitglied der Landesregierung bestellt in seinem Geschäftsbereich eine Landesbeauftragte oder
einen Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen. Die Aufgabe der beauftragten Person gehört zum
Aufgabenbereich des für Soziales zuständigen Ministeriums. Die mit der Wahrnehmung der Aufgabe beauftragte Person ist
insoweit dem für Soziales zuständigen Mitglied der Landesregierung unterstellt.
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(1) Aufgabe der beauftragten Person ist es, darauf hinzuwirken, dass die Verantwortung des Landes, für gleichwertige
Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderungen zu sorgen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen
Lebens erfüllt wird. Sie setzt sich bei der Wahrnehmung der Aufgaben dafür ein, dass unterschiedliche Lebensbedingungen
von behinderten Frauen und Männern berücksichtigt und geschlechtsspezifische Benachteiligungen beseitigt werden.
(2) Zur Wahrnehmung der Aufgabe nach Absatz 1 ist die beauftragte Person bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen
wichtigen Vorhaben zu beteiligen, soweit diese Fragen der Integration von behinderten Menschen behandeln oder berühren.
(3) Jede Person hat das Recht, sich mit Bitten, Beschwerden oder Anregungen unmittelbar an die beauftragte Person für die
Belange behinderter Menschen zu wenden, wenn sie der Auffassung ist, dass Verstöße gegen die Rechte und Belange behinderter
Menschen erfolgt sind oder drohen.
(4) Die beauftragte Person fördert die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch zwischen den kommunalen
Behindertenbeauftragten der Landkreise, den Behindertengruppen, -vereinen und -verbänden, Gewerkschaften und sonstigen
Organisationen, die sich mit den besonderen Interessen von behinderten Menschen befassen, und unterstützt deren Tätigkeit.
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(1) Das für Soziales zuständige Mitglied der Landesregierung beruft auf Vorschlag je einen Vertreter oder eine Vertreterin
der landesweit tätigen rechtsfähigen Behindertenverbände und der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als stimmberechtigte
Mitglieder in den ehrenamtlichen Landesbehindertenbeirat.
(2) Als nicht stimmberechtigte Mitglieder gehören dem Landesbehindertenbeirat je eine Vertreterin oder ein Vertreter
des Landkreistages, des Städte- und Gemeindebundes, des Landesarbeitsamtes, der Arbeitgeberverbände, der Gewerkschaften,
des Behindertensportverbandes im Land Brandenburg und des Integrationsamtes an.
(3) Der Landesbehindertenbeirat kann sich eine Geschäftsordnung geben. Er unterstützt die Landesregierung bei der Aufgabe,
gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung zu schaffen. Er berät die beauftragte Person in allen
Angelegenheiten und ist berechtigt, ihr und der Landesregierung Empfehlungen zu geben.
Dieses Gesetz trat am 25. März 2003 in Kraft.
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