NETZWERK ARTIKEL 3

Verein für Menschenrechte und Gleichstellung Behinderter e.V.

informiert über:

Persönliche Assistenz – eine Vorlage für ein Assistenzgesetz

In Berlin gibt es seit April 1999 ein Landesgleichberechtigungsgesetz für behinderte Menschen. Das Gesetz sieht einen Landesbehindertenbeirat vor, der sich aus verschiedenen Organisationen und Vereinen zusammensetzt. In diesem Landesbeirat haben sich Arbeitsgruppen gebildet. Wir sind die Arbeitsgruppe «Persönliche Assistenz» und verstehen uns als beratendes Gremium des Landesbehindertenbeirates. Wir setzen uns zusammen aus Vertreter/innen der Nutzer sowie aus Anbietern von Assistenzleistungen und Mitarbeiter/innen von Beratungsinitiativen in diesem Bereich.

Auftrag und zugleich Anspruch unserer Arbeitsgruppe ist es, Konzepte, Gesetzesvorhaben und andere Initiativen zu entwickeln, die das Ziel haben, die Situation von assistenzabhängigen Menschen nachhaltig zu verbessern. Unser derzeitiger Arbeitsschwerpunkt liegt bei der Durchsetzung für ein bundesweites Assistenzgesetz. Wir benötigen das Gesetz, weil weder das Landesgleichberechtigungsgesetz für Behinderte, das Bundesgleichberechtigungsgesetz für Behinderte, das SGB IX oder die Pflegeversicherung persönliche Assistenz berücksichtigen.

Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung der folgenden „Vorlage für ein Assistenzgesetz“ (auch per E-Mail möglich an: VeMie@aol.com) ASL e.V., Frau Miethbauer, Oranienstr. 189, 10999 Berlin

Vorlage für ein Assistenzgesetz

Die Leistungen der Pflegeversicherung stehen oft der Führung eines selbstbestimmten Lebens behinderter Menschen entgegen. Zum einen werden die zu erbringenden Leistungen durch die Leistungskomplexe von vornherein sehr stark festgelegt und lassen deshalb wenig individuellen Gestaltungsspielraum. Zum anderen ist die Pflegeversicherung nicht auf die Deckung des tatsächlichen Bedarfs angelegt. Sofern Menschen mit hohem Hilfebedarf nicht über erhebliche Eigenmittel verfügen, muss in solchen Fällen das Sozialamt Hilfe zur Pflege erbringen. Abgesehen davon, dass behinderte Menschen auf diese Weise, selbst wenn sie höhere Einkommen erzielen, Sozialhilfeempfänger bleiben, setzt der § 3a BSHG einen deutlichen Kostenvorbehalt, so dass die Gefahr besteht, dass anstelle ambulanter Hilfen, die ein selbstbestimmtes Leben in einer eigenen Wohnung ermöglichen, nur noch ein Heimplatz finanziert wird. Ein auf Bundesebene neu zu schaffendes Assistenzgesetz muss deshalb ein bedarfsdeckendes einkommens- und vermögens- sowie standortunabhängiges steuerfinanziertes Leistungs- bzw. Nachteilsausgleichsgesetz in allen Lebensbereichen sein. Assistenzleistungen sind Nachteilsausgleiche und müssen daher aus dem Bereich der Sozialhilfe herausgenommen werden.

Persönliche Assistenz besteht aus am individuellen Bedarf orientierten Hilfen bei den täglichen Verrichtungen, bestimmt durch die Lebensrealität der auf Assistenz angewiesener Menschen, die eine kontinuierliche Arbeitstätigkeit erforderlich macht, deren Ausdifferenzierung in Einzelleistungen nicht sinnvoll ist. Dies insbesondere, weil nicht planbare pflegerische Leistungen im großen Umfang parallel zu anderen Leistungen anfallen. Persönliche Assistenz dient der eigenständigen Gestaltung des Alltags in der eigenen Wohnung bzw. in einer selbstgewählten Umgebung. Persönliche Assistenz ist eine von behinderten Menschen bewusst gewählte Versorgungsform und kann nicht gegen seinen/ihren Willen angewendet werden.

Die Finanzierung muss aus einer Hand geleistet werden, um den Betroffenen die Beantragung zu erleichtern.

Die EmpfängerInnen von stationärer und ambulanter Hilfe müssen den Anspruch auf die gleichen Leistungen haben.

Das Arbeitgebermodell muss als sinnvolle Ergänzung neben konventionellen Hilfemöglichkeiten in der Gesetzgebung gleichberechtigt berücksichtigt bzw. gefördert werden. Dazu gehört das Recht behinderter ArbeitgeberInnen, Versorgungsverträge mit den Pflegekassen abzuschließen, um die Sachleistung nach § 36 SGB XI beziehen zu können.

Die Entlohnung der AssistentInnen muss bundesweit auf Tarifbasis geregelt werden und angemessen sein.

Die Betroffenen müssen die Qualitätsmaßstäbe selber bestimmen können.


Die AssistenznehmerInnen müssen folgende Kompetenzen behalten:

Personalkompetenz:  sie bestimmen, wer Assistenz bei Ihnen
ausführt
Organisationskompetenz:  sie bestimmen, welche Aufgaben wann und
wo zu erledigen sind. Die Hilfen können nach eigener Entscheidung von einem oder mehreren Anbietern abgefordert oder selbstständig organisiert werden
Anleitungskompetenz:  sie bestimmen, wie Assistenzleistungen für
Sie erbracht werden müssen
Raumkompetenz:  sie bestimmen an welchem Ort die Assistenz
zu erbringen ist
Finanzkompetenz:  die AssistenznehmerInnen erhalten als
ArbeitgeberInnen die Gelder zur Entlohnung ihrer AssistentInnen in die eigene Hand

Diese Kompetenzen sind Optionen, die wahrgenommen werden können aber nicht müssen. Sie dürfen nicht als Ausschlusskriterium für Menschen dienen, die sie nicht selber ausführen können oder wollen.

Assistenzleistungen müssen den Prinzipien der Gleichstellung behinderter Menschen, insbesondere dem Grundsatz «ambulant vor stationär» entsprechen.

Hierbei ist ausdrücklich zu beachten, dass BewohnerInnen stationärer Einrichtungen nicht schlechter gestellt werden dürfen.

Zur Beratung und Unterstützung rund um Assistenz stehen die unabhängigen Beratungsstellen der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung zur Verfügung.


AG «Persönliche Assistenz» im Berliner Landesbehindertenbeirat
Kontakt über ASL e.V., Frau Miethbauer, Oranienstr. 189, 10999 Berlin per E-Mail möglich an: VeMie@aol.com


Ihr E-Mail-Kontakt zur Geschäftsstelle: HGH@nw3.de
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